Hier EP-Review "Penzion Kanonir"
Original : http://www.triggerfish.de/index.php?option=com_content&task=view&id=16287&Itemid=83
VIERKANTTRETLAGER klingen wie die frühen TOCOTRONIC, welche die späten TOMTE covern.
Zack-Bumm! Musik rezensieren kann so einfach sein.
Dochso sehr sich die Band über diesen voreiligen Vergleich ärgern würde, so unzufrieden ist auch der Verfasser dieser Plattenkritik mit dieser Gegenüberstellung: Denn derart offensichtlich sollte es nicht sein.
Parallelen gibt es natürlich. Mit TOCOTRONIC haben die vier von VIERKANTTRETLAGER den trockenen, geradlinigen Gitarrensound gemein (und manchmal auch die Texte), von TOMTE borgt sich Sänger Max Leßmann gelegentlich die gedehnten Thees-Uhlmann-Vokale (und manchmal auch, na ja, die Texte). Zwar stammt das Quartett aus Husum und nicht aus Hamburg, aber immerhin wurde dort die Debüt-EP „Penzion Kanonir“ aufgenommen (mit dem STERNE-Produzenten Gregor Henning) und gemastert (von Chris von Rautenkranz).
Als die ersten der hier versammelten fünf Stücke eingespielt wurden, waren die Bandmitglieder um die 16 Jahre alt (und auch jetzt sind sie noch nicht alle in einem Alter, in dem man sich jeden Film ansehen darf). Umso verblüffender ist die Abgezocktheit, mit der sie ihre Musik verkaufen. VIERKANTTRETLAGER kümmern sich selbst um Live-Buchungen, Produktions-Finanzierung und Cover-Gestaltung, und in ihre Lyrics packen sie schon ein solches Maß an Weltzweifel, dass Thom Yorke stolz auf sie wäre. „Hast Du schon gehört / Und hast du nicht gesehen / Alles ist im Fluss / Wir werden untergehen“, singt Leßmann in dem schrammelnden Titelstück mit den schönen Akkordwechseln. Dieses findet sich hier auch in einer langsameren „Dinnerversion“ wieder, als polternden Swing mit Saxophon und lässigem Piano, wobei es eher nach Tom Waits als nach Frank Sinatra klingt und deswegen weniger geeignet für die Beschallung eines entspannten Abendessens scheint.
Mehr Zweifel gibt es in den Texten von „Hooligans“, wo es heißt: „Und die Hooligans aus Nummer 10 / sie singen ihr trauriges Lied / Sie singen: Ihr könnt nach Hause gehen / Wenn wir wüssten, wo das liegt.“ Ein treibender Basslauf macht die Orientierungslosigkeit jedoch sexy und tanzbar.
Man freut sich auch, dass diese Jungspunde PETER SARSTEDTs wehmütigen Klassiker „Where Do You Go To (My Lovely)“ überhaupt wahrgenommen haben; ihre eingedeutschte Coverversion „Wo gehst du heute nacht hin“ ist allerdings der einzige Schwachpunkt auf dieser EP. Musikalisch hat sie nicht viel hinzuzufügen (sogar das Akkordeon durfte bleiben, es gibt allenfalls etwas weniger verträumten Sixties-Hall), textlich wirkt sie doch recht schief und bemüht. Dabei leuchtet die Wahl dieses Songs ein – die Nummer passt stimmungsmäßig gut zu ihren Eigenkompositionen.
Alles in Allem bleibt die „Penzion Kanonir“-EP ein solider, gelungener Appetizer. Und wenn im nächsten Jahr das erste Album von VIERKANTTRETLAGER erscheint, werden sich sicherlich auch bald die lästigen Vergleiche mit den Veteranen der Hamburger Schule erübrigt haben. Genug eigene Qualitäten beweisen die Jungs hier – und mit Schule haben sie bald sowieso nichts mehr am Hut.